Es hat wieder begonnen:
Ich bin bekannt wie ein bunter Hund! Fast alle kennen mich, nur ich kenne kaum jemanden. Das war zu Schulzeiten so, zu Unizeiten nicht anders und im Berufsleben genauso. Ich bin nicht unaufmerksam, es sind die anderen, auf die ich in kürzester Zeit einen bleibenden Eindruck hinterlasse. Ob positiv oder negativ ist dabei zweitrangig. Ich polarisiere schon mein ganzes Leben.
Dabei bekomme ich im Krankenhaus meistens sehr schnell (fast zeitgleich mit der Aufnahme) einen positiven Status zugesprochen.
Wir sitzen alle irgendwie im selben Boot, nur hab ich anscheinend mal wieder den Platz im Rettungsboot erwischt, welches noch nicht ins Wasser gelassen wurde!
Natürlich erzählt hier jeder (inklusive mir) mehr über seine wehwehchen als sonst wo, aber ich versuche mich dabei eher an die Fakten zu halten. Es macht für mich einfach keinen großen Sinn, mich nonstop über mein Elend zu beklagen. Nein, nicht mal im Krankenhaus! Erstens zieht es mich emotional runter, mich zu sehr da hinein zu steigern, und zweitens wird es dadurch ja auch nicht besser (eher noch schlechter).
Und so kommt es mal wieder, dass es, egal wo ich hinkomme bzw. wieder gehe, hinter mir tuschelt: „Ja mei, wie mocht s des? Die isch ima so positiv!“ Nein, ich habe gerade keinen Schlaganfall, so ungefähr hört sich bayrisch an. „Ima wenn i se seh strahlt se!“ – „Ein richtiger Sonnenschein!“ Tja, wer kann, der kann!
Ich für meinen Teil finde auch Lachfalten wesentlich attraktiver im Alter als Sorgen- und Zornesfalten. Um im Alter also keine Bulldoggenfresse von meinem eigentlich nicht ganz so einfachen Leben zu bekommen, halte ich es demnach lieber mit der Charlie-Chaplin-Devise: „Smile tho‘ your heart is aching…“!
Das Krankenhaus: Fluch und Segen
„Wie schaffst du das immer, BeaBu? Ich meine, kaum zwei Tage im Krankenhaus und schon bist du eingelebt!“ – „Wie lernst du so schnell immer neue Leute kennen? Ich meine, wo lernt man im Krankenhaus Menschen kennen, BeaBu?“ – „Wird dir nicht langweilig, BeaBu?“ Das und vieles mehr sprudelt mir aus meiner Familie und meinem Freundeskreis entgegen.
Gleich zu Beginn: Krankenhaus ist nicht gleich Krankenhaus.
Es ist ein Riesenunterschied, ob man an das Zimmer oder womöglich an das Bett gebunden ist (z.B. nach einer OP) oder ob man sich frei in der und um die Klinik bewegen kann. Grundsätzlich ist niemand gerne im Krankenhaus und ich bin da keine Ausnahme.
Ich hab aber für mich ein paar „Gewohnheiten“ beziehungsweise „Überlebensregeln“ etabliert, die es mir ermöglichen, mich schnellstmöglich in jede Kliniksituation einzuleben:
1. Mein Krankenhausbett
Als ich 1997 zum ersten Mal in die Kinderklinik nach Garmisch-Partenkirchen kam, fielen mir beim Betreten der Zimmer sofort die bunten Fleece-Tagesdecken auf, die auf allen Krankenhausbetten lagen. Die verdrängten zu 100% die gewöhnliche Krankenhaus-Atmosphäre und lockerten schon rein optisch alles auf.
Seitdem habe ich immer eine eigene bunte Fleece-Tagesdecke im Gepäck, die ich sofort über das Bett werfe.
(Ich empfehle, eine Decke zu nehmen, die man niemals zuhause verwenden würde, weil sie zu kitschig oder zu kindisch oder zu bunt oder oder oder ist. Die Decke ist nur zum Aufheitern für die Krankenhauszeit gedacht, um das hässliche Krankenhausbett zu überdecken und ein wenig Gemütlichkeit und Heiterkeit zu verbreiten. Ich würde diese Decke nie bei mir zuhause irgendwo benutzen, da sie mich sonst immer an ein Krankenhausbett erinnern würde – wer will das schon?)
2. Mein Nachttisch
Ins obere Fach von meinem Nachttisch kommen meine Kontaktlinsen, meine Brille (ggf. auch Sonnenbrille), meine Schminktasche, meine Kopfhörer und mein Tablet beziehungsweise ein Buch rein.
Der gesamte restliche Stauraum darunter wird von mir immer als „Minibar“ missbraucht.
Natürlich gibt es Essen und Trinken im Krankenhaus, aber ich hab irgendwann keine Lust mehr auf nur Wasser und Tee und nicht viele Krankenhausessen sind auf dem Niveau eines Hotels.
Somit habe ich immer ein bis zwei Softdrinks, ein bis zwei Säfte und einige Knabbereien, Snacks, Schokolade für die Nerven und das Vergnügen, ein paar 5-Minuten-Terrinen, falls das Essen doch viel zu scheußlich war, und ein Netz Zitronen für meinen Schwarztee in meiner „Minibar“.
(Wenn ich nicht in meiner Stadt im Krankenhaus bin, dann hole ich mir die Sachen meist am ersten (spätestens am zweiten) Tag im Supermarkt meist um die Ecke. Wenn das gerade nicht geht, gebe ich dem Sozialdienst eine Einkaufsliste und Geld mit und lass mir die Sachen bringen.)
3. Meine Eitelkeit
Grundsätzlich gilt für jeden meiner Krankenhausaufenthalte, sich nicht gehen zu lassen. Klar, wenn ich gerade frisch operiert bin, nehme ich mir bis zu 3 Tage Zeit zum Gammeln. Wobei, es mag für den ein oder anderen schwer nachvollziehbar sein, aber meine erste Handlung, wenn ich aus dem OP wieder im Zimmer bin, besteht darin, mir meine Hand- und Fußnägel rot zu lackieren. (Die Farbe harmoniert super mit dem OP-Jod, hahaha) Ich fühle mich dann sofort besser.
Ich assoziiere unlackierte Nägel immer mit einer OP, denn das ist der einzige Zeitpunkt in meinem Leben ohne künstliche Nägel, Gelish oder wenigstens Nagellack. Also nach der OP bei erster Gelegenheit Nägel lackieren oder von Mama, Mann oder Freundin lackieren lassen und dann max. 3 Tage in Schmerzmittel und Selbstmitleid vergehen und danach:
werden die Haare gewaschen, Wimperntusche und leichter Lipgloss aufgetragen und der Pyjama in stylische Wohlfühlklamotten gewechselt und ta da… ich fühl mich wieder wie ich selbst und starte, komme was wolle, am 4. Tag wieder durch.
4. Meine Lieblingsorte und -verstecke
Erste Devise lautet: Raus aus dem Zimmer, sobald es geht, und Klinik erkunden! In jedem Krankenhaus gibt es zig versteckte und offensichtliche Orte, die es zu entdecken gilt. Es gibt kleine „Geheimgänge“ mit versteckten Sitzgruppen, es gibt Dachterrassen, Etagenterrassen, Gärten, Aufenthaltsräume, Cafeteria, Bibliotheken, und einmal hab ich versteckt einen Aufzug gefunden, der zu einem wunderschönen, gemütlichen, dauer-verlassenen Wintergarten im obersten Stock geführt hat.
(Je nachdem, in welcher Gemütslage ich bin und welche Auswahlmöglichkeiten ich im Krankenhaus vorfinde, variiere ich meinen Aufenthaltsort. Denn alles ist besser, als zuviel Zeit im Zimmer zu verbringen und „Lagerkoller“ zu bekommen, und gemütlicher ist es meistens auch.)
5. Meine „Freunde“
Je schneller man Anschluss findet, desto angenehmer wird der Aufenthalt. Es geht nicht darum, die großen Freundschaften für´s Leben zu finden, auch wenn mir das in meinem besten Freund gelungen ist (alles Gute zum 20. Jahrestag unserer Freundschaft, T. L.), sondern jemanden, mit dem man einen Kaffee trinken geht, zusammen Karten oder Schach spielt oder einfach ein nettes Gespräch führen kann.
Je nachdem, wo, wieso und für wie lange man im Krankenhaus ist, desto wichtiger bzw. unwichtiger ist dieser Faktor „Freundschaft“.
Bedeutet: Wenn ich zuhause im Krankenhaus bin, dann brauch ich außer meiner Familie und Freunde natürlich nicht zwingend neue soziale Kontakte. Da hoffe ich in erster Linie auf eine verträgliche Zimmernachbarin.
Wenn ich jedoch kilometerweit weg bin, sieht das schon anders aus. Da versuche ich natürlich schneller Anschluss zu finden, jedoch auch nicht wahllos mit jedem. Im Krankenhaus gelten dieselben Regeln wie überall anders auch, zusammen findet, wer sich sympathisch ist.
Mir hilft meine positive Art dabei ungemein und die Tatsache, dass ich es absolut nicht darauf anlege, neue Kontakte zu knüpfen. Ich kann mich super allein beschäftigen, hab mein Tablet, Laptop, Handy, Buch und konzentriere mich auf mein gesundheitliches Weiterkommen.
Wenn man nicht den ganzen Tag im Zimmer sitzt (wo wir wieder bei 4. sind), läuft man sich zwangsweise über den Weg, einigen läuft man immer wieder über den Weg und einige sind einem dann auch sympathisch. Dann macht man hier eine Bemerkung über das Wetter oder da einen kleinen Scherz und dann kriegt man schon mit, ob man auf einer Wellenlänge ist.
Das beste ist natürlich, den ersten „Freund“ direkt im eigenen Zimmer zu finden
„Und, BeaBu, wie ist deine neue Zimmernachbarin so?“ Mein Gesicht spricht Bände! „Ohje, so schlimm?!“ – „Na, bei mir im Zimmer ist gerade Totentanz angesagt!“ Das Gelächter ist groß, aber wie soll ich das auch anders ausdrücken?
Als ich nach dem Abendessen kurz ins Zimmer wollte, um meinen Laptop zu holen, betrete ich eine stockfinstere Kammer: alle Lichter aus, die blickdichten Vorhänge zugezogen, sodass auch ja kein Lichtstrahl durchkommt, und Madame liegt im Pyjama und mit Kopfhörern im Bett und schaut fern. Als ich dann schnellstmöglich das Zimmer wieder verlasse, werde ich vom strahlenden Sonnenschein so geblendet, dass mir ein erstauntes lautes „Huch!“ herausrutscht.
Ich hab doch tatsächlich in den 5 Minuten Zimmeraufenthalt vergessen, dass es erst 19 Uhr ist!
„Naja, BeaBu, nimm es nicht so schwer! Vielleicht ist sie einfach müde von der Anreise.“ – „Klar, aber dann liege ich auch nicht im Dunkeln mit Kopfhörern im Bett, wenn gerade niemand im Zimmer ist, den ich stören kann!“
Das Gelächter geht weiter und alle sind sich einig: So kann man sich den Start im Krankenhaus auch selber schwer machen!
À bientôt
Eure BeaBu
Masel tov! Alles Gute zum Jahrestag! Ich bin beruhigt, dass es dir genauso geht wie mir: es fühlt sich nicht wie 20 Jahre an. Auch wenn wir nun offiziell aus der Sturm- und Drangphase raus sind, hoffe ich es folgen noch ein paar spannende Jahre… bis 120 😉