„Das ist voll traurig, BeaBu! Nach all der Planung und du kannst nicht dabei sein? Es wird ohne dich nicht dasselbe sein, deine Abwesenheit wird alles überschatten!“ Wütend schmeiße ich mein Handy aufs Krankenhausbett und schmeiße mich gleich mit in die Kissen zurück. Au, mein Knie, das sollte ich wohl so theatralisch sein lassen, aber ich hasse gerade dieses dumme Knie! Ich hasse dieses dumme Krankenhausbett! Ich hasse diese dumme Situation und vor allem hasse ich es, dass ich schon wieder im Mittelpunkt stehe, obwohl sich einmal alles nur um meine Schwester drehen sollte! Nicht einmal heiraten kann das Mädchen,ohne dass ich ihr dazwischen grätsche. Dass meine eigene Hochzeit reibungslos verlief, grenzt für mich unter diesen Gesichtspunkten erst recht an ein Wunder! Naja, reibungslos bis auf die Lappalie, dass meine Eltern sich mal wieder so in die Wolle bekamen, dass sie die ganze Fahrt über zum Standesamt über Scheidung schwadronierten. „Ähmm, Pardonnez-moi, aber euch ist schon aufgefallen, dass ihr die nervöse Braut auf eurem Rücksitz befördert?“ Da war dann Ruhe im Karton bzw. im Auto.
Jedenfalls trifft die Aussage meiner Cousine gerade am Telefon, „Das ist voll traurig, BeaBu“, nicht mal ansatzweise,wie ich mich fühle. Ja, es ist traurig, traurig und unfair! Ich versuche mich an dem einzig tröstlichen Gedanken hochzuziehen: Wenigstens schaffe ich es überhaupt zur Hochzeit! Wenigstens schaffe ich es überhaupt zur Hochzeit! Wenigstens schaffe ich es überhaupt zur Hochzeit, naja, vorausgesetzt, alles läuft wie geplant! Aus meinem Selbstmitleid befreit mich das allerdings gerade eher weniger, denn bei dem Stichwort „läuft wie geplant“ geht mir nur die monatelange Planung des heutigen Abends durch den Kopf: Ab 18.00 Uhr Sushi essen, Cocktails trinken und ein paar witzige Spiele auf der Terrasse meiner Eltern, dann um 21.00 Uhr mit der bestellten Stretchlimousine ab auf die Piste zum Party machen…
Wie vom Donner gerührt sitze ich plötzlich kerzengerade im Bett: Heeey, die erste Hälfte des Abends findet auf der Terrasse bei meinen Eltern statt, da steht eine Riesencouch, auf die ich mich legen könnte, und gestern wurde ich in meinem Zustand auch problemlos befördert und ob ich nun hier liege oder da… und wäre ich nicht bettlägerig, so wär ich auch nicht die ganze Zeit im Zimmer. Aber so, hmmm…. Ich klingelte nach der Krankenschwester: „Ich wollte Bescheid sagen, dass ich später für einige Zeit nicht im Zimmer sein werde. Ich werde mit dem Krankentransport unterwegs sein und ich wollte nur Bescheid geben, damit sie sich nicht wundern, wohin ein bettlägeriger Patient verschwunden ist!“ „Aber BeaBu, das können Sie nicht machen! Versicherung, Krankenkasse, Gefahr bla bla bla!“ – „Ich würde gerne den Diensthabenden Arzt sprechen!“ unterbreche ich ihren Monolog, und noch während ich auf den Arzt warte, organisiere ich schon mal den Krankentransporter (70€ hin und zurück, Selbstzahler natürlich) und weihe meine Mutter in meinen Plan ein. „Aber Mama, das bleibt bitte erst noch unter uns! Also sag bitte noch nichts zu niemandem, wer weiß, ob es überhaupt klappt, und am Ende sind dann doch noch alle enttäuschter als vorher, weil sie sich falsche Hoffnungen gemacht haben!“ In dem Moment kommt auch schon der Arzt zu mir ins Zimmer. Mit sehr ernster Miene beginnt er: „BeaBu, wenn sie das Krankenhaus verlassen, sind Sie im Ernstfall nicht versichert! Sie können sich selbst entlassen, dann werden Sie am Montag aber nicht operiert…“ – „Aber ich will mich doch gar nicht selbst entlassen,“ falle ich ihm ins Wort und fahre fort: „und natürlich werde ich am Montag operiert, darum geht es doch auch überhaupt nicht! Sie sollen einfach für ein paar Stunden so tun, als wär ich irgendwo im Haus unterwegs. Heißt, wenn jemand in der Zeit in mein Zimmer kommt, bin ich nicht da! Ich könnte ja auch beim Röntgen oder beim Rauchen oder in der Cafeteria sein. Wäre ich nicht bettlägerig, würden sie auch nicht immer wissen, wo ich gerade bin, schließlich bin ich ja nicht auf einer geschlossenen Station!“ Der diensthabende Arzt schaut mich verdutzt an und urplötzlich hellt sich sein Gesicht auf: der Groschen ist gefallen! „Ok! Aber wir machen es ganz offiziell: wir können sie für ein paar Stunden beurlauben. Eigentlich machen wir das ziemlich selten, und ich glaube, auf dieser Station ist dies auch noch nicht vorgekommen, aber in ihrem Fall machen wir eine Ausnahme, aber bis 21.30 Uhr sind sie wieder in ihrem Bett!“ Der anwesenden Stationsschwester fällt die Kinnlade runter, sowas scheint wirklich noch nicht vorgekommen zu sein. Und ich, ich kann mein Glück kaum fassen und muss mich zusammenreißen damit ich nicht vor Freude völlig ausflippe und mein instabiles Knie gefährde, dann wäre aus meinem gerade gelungenen Plan doch noch Essig geworden!
„Hey Cousinchen, ich hab ne Riesen Überraschung! Ich bin heute Abend doch dabei, zumin…“ KREIIISSSSCHALARM! „OMG!!! Wie tollllll!!! Aber WIE? Und WANN? Und für WIE lange?“ Und ich komme nicht mehr zu Wort, da sprudelt es nur weiter aus ihr heraus: „Ist auch alles unwichtig, Hauptsache du hast es hinbekommen. Denn Rest berichtest du heute Abend. Ich bin dafür, wir sagen deiner Schwester nichts und überraschen sie damit zusätzlich.“ Einverstanden, andere kriegen einen Stripper und meine Schwester bekommt mich: BeaBu, der Überraschungsgast! Ein must have auf jeder Bachelorette-Party!
Pünktlich um 17.00 Uhr holt mich der bestellte Krankentransporter ab und befördert mich sicher zu meinen Eltern direkt auf die Couch. Sehr schön, hier verbringe ich meine nächsten Stunden und wir drapierten mich umringt mit Kissen um mein Knie zu schützen, wie ein Präsent. Damit die Überraschung auch wirklich gelingt und meine Schwester mich nicht zufällig entdeckt, wurde sie vorher angewiesen, zur Vordertür des Hauses zu kommen. Dort wurde sie von den Mädels in Empfang genommen und in einer Menschentraube durchs Haus auf die Terrasse geführt. Die Überraschung war perfekt! Sie erblickte mich sogar erst beim zweiten hinschauen, verhaspelte sich mitten im gerade noch gesprochenem Satz, fing augenblicklich vor Freude an zu heulen und fiel mir um den Hals. Wie gut, dass ich gepolstert war. Vor soviel überschwänglicher Emotion brachen dann auch alle anderen Anwesenden in Tränen aus, sodass wir danach kollektiv unser Make-up auffrischen mussten. Dann machten wir uns über die Platten an Sushi her, schlürften genüsslich unsere Cocktails und hatten verboten viel Spaß, unter anderem an Privacy und einem Überraschungsvideo meines zukünftigen Schwagers. Pünktlich um 21.00 Uhr kamen sowohl die Stretchlimousine als auch mein Krankentransporter an, und nachdem ich kollektiv verladen worden war, fuhren die Mädels weiter zum Party machen und ich war pünktlich wie vereinbart um 21.30 Uhr wieder in meinem Krankenhausbett!
Fortsetzung folgt…
À bientôt
Eure BeaBu